Kramer Haushaltsrede 2017

Gemeinderatsfraktion

Haushaltsrede 2017
gehalten am 22. Februar 2017
von Elisabeth Kramer

Wir stehen auch in Weinheim vor großen Herausforderungen, und denen müssen wir uns ebenso stellen wie die Politik dies auf allen Ebenen tun muss. Es geht uns um ein friedliches Miteinander, nicht nur innerhalb der Bürgerschaft, auch mit unserer naturnahen Umgebung und mit den neuangekommenen Mitgliedern unserer Stadtgesellschaft. Und gerade angesichts der begrenzten finanziellen Möglichkeiten müssen wir diese unsere Ziele im Auge behalten. Ohne dieses Miteinander wäre jede Politik vergeblich. Auch unsere Haushaltspolitik.

Nun haben wir beim Haushalt der Stadt Weinheim ein Problem, wir geben mehr aus als wir einnehmen. Um dieses Problem langfristig zu beheben, will die GAL sowohl darauf schauen, wie die Stadt evtl. ihre Einnahmen erhöhen als auch ihre Ausgaben reduzieren kann. Wir brauchen schließlich beides. Und auch einige positivere Signale zum vergangenen Haushalt dürfen uns da nicht beruhigen.

Lassen Sie mich zunächst über die Ausgabenseite sprechen. Die GAL hat im Laufe der Haushaltsberatungen einige Vorschläge für das künftige Vorgehen gemacht. Die Haushaltsstrukturkommission ist ja nun terminiert, in genau vier Wochen werden wir darangehen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Wenn alle Beteiligten die Notwendigkeit von strukturellen Einsparungen einsehen, dann wird diese Kommission auch zu Erfolgen kommen können. Wir sind jedenfalls ganz optimistisch.

Die Haushaltsstrukturkommission soll neben der Begleitung des Haushaltsplanvollzugs auch die aktuellen Strukturen des Haushaltsplanes überdenken. Das klingt nach viel Arbeit – ist es wohl auch. Zumal nicht nur der Gemeinderat Einsparungen vorschlagen soll, sondern natürlich auch die Verwaltung. Manchmal in der Vergangenheit ist das auch gelungen. Und ich sehe keine Alternative zu diesem Vorgehen.

Im Einzelnen gehört auch dazu, Stellenneubesetzungen kritisch zu hinterfragen. Das war in der Vergangenheit manchmal sinnvoll, auch wenn man richtigerweise den Bereich der Kinderbetreuung ausgenommen hat. Hier sind wir uns einig, dass wir die Unterstützung für Schulen und Familien durch geeignetes Personal dringend brauchen. Ein guter Schritt wäre eine verbindliche Ganztagesschule hier im Zentrum von Weinheim gewesen. An der Pestalozzischule war das geplant, und hätte der Gemeinderat das bestätigt, so wäre das eine deutliche Verbesserung der Betreuung für die Kinder gewesen. Und zusätzlich wäre der Haushalt der Stadt Weinheim um jährlich 200 000 Euro entlastet worden.
Die Aufgabe der Anschlussunterbringung ist mit den bislang beschlossenen Baumaßnahmen noch lange nicht erledigt. Das bisherige Vorgehen, alle Bauten mit der Stadt als Bauherr zu erstellen, belastet den Haushalt enorm. Die GAL hält es für notwendig , dass die Verwaltung und die Haushaltsstrukturkommission Optionen und Finanzierungsmöglichkeiten für die Schaffung von integrativem Wohnraum und weiteren Möglichkeiten der Anschlussunterbringung von Flüchtlingen prüfen.

Es gibt interessante Modelle von Genossenschaften und auch Stiftungen, die einiges anbieten, was für uns hilfreich sein kann. Da können genossenschaftliche Baugemeinschaften sein oder auch eben Stiftungen mit sozialer Zielsetzung, die den Bau mit Erfahrung und Finanzierung unterstützen können. Und dann gibt es noch den „Pakt für Integration“, dessen Abschluss zwischen Land und Kommunalen Spitzenverbänden unmittelbar bevorsteht, da erhalten wir über das Wohnbauförderprogramm des Landes sicherlich vernünftige Unterstützung. Etliche solcher Optionen stehen zur Prüfung an.
Wir sind froh, dass hier im Gemeinderat Einigkeit herrscht über die Notwendigkeit menschenwürdiger Unterkünfte. Da sind wir schon ganz gut und hoffentlich bald so weit, dass die Container im Gorxheimer Tal abgebaut werden können. „Weltoffenheit statt Ausgrenzung“ ist unsere Devise, zumal wir wissen, dass Investitionen für Flüchtlinge sich langfristig für die Stadtgesellschaft auszahlen werden. Dafür brauchen wir aber auch die Unterstützung von Land und Bund,

Weiterhin ist es an der Zeit, städtische Beteiligungen und Mietverträge zu überprüfen. Dabei soll die Verwaltung mit der Haushaltsstrukturkommission von der Stadt eingegangene Verpflichtungen durchleuchten. Es kann nicht angehen, dass z.B. Privatpersonen von Verträgen profitieren, die uns dauerhaften finanziellen Schaden bescheren. Wir sind überzeugt, dass es Optimierungen gibt, die uns künftig Kosten einsparen.

Förderleistungen an Vereine werden derzeit nur direkt von der Stadt gewährt.
Alternativ dazu könnte die künftige Abwicklung von Zuschüssen, insbesondere von kleineren Förderbeträgen, von einem Zusammenschluss der Vereine selbstverwaltet organisiert werden. Ziel ist neben einer Kostersparnis für die Stadt die Stärkung der Selbstverwaltung der Vereine, Vorbild ist der Landkreis, der dies im Zusammenhang mit den sogenannten Sportkreisen so handhabt.

Sicher gibt es noch weitere Vorschläge, sowohl von der Verwaltung als auch aus unseren Reihen hier im Gemeinderat. Wir sind überzeugt, dass bei gutem Willen auf beiden Seiten dieses Saales dann auch gute Ergebnisse zu erzielen sind. Und zwar Ergebnisse, die nachhaltig wirken, über die direkt folgenden Haushaltsjahre hinaus. Denn auch wenn sich in den Nachberechnungen unseres Kämmerers die Zahlen immer verbessern, dürfen wir nicht aus den Augen lassen, dass wir hier Geld ausgeben, das den nachfolgenden Jahren fehlt.

Damit bin ich bei den Schuldendiensten, die ganz beträchtlich ins Gewicht fallen. Unsere Zinsen belaufen sich dabei auf meist über 1,5 Mio. Euro. Da sind wir bei einem Schuldenstand von 36,4 Mio. Euro Ende 2016 noch gut bedient, dank der Niedrigzinsphase und dank der Tatsache, dass 2016 doch weniger ausgegeben wurde als geplant. Die Prognose für den Schuldenstand lag ja bei über 40 Mio. Euro. Vor allem die Anschlussunterbringungen können nur schleppend verwirklicht werden. Die eingesparten Mio. sind aber nicht wirklich eingespart, die kommen ja in diesem Jahr obendrauf, so dass Ende 2017 44,41 Mio. Euro zu erwarten sind.

Kommen wir nun zur Einnahmenseite. Um es gleich zu sagen, die GAL verschließt sich keineswegs einer weiteren Gewerbeentwicklung in Weinheim, und das beinhaltet auch das Angebot neuer Gewerbeflächen. Wir wehren uns lediglich gegen Die immer wieder ausgesprochene Drohung, dass man die Zukunft der Stadt gefährde, wenn nicht so schnell wie möglich große Acker- und Erholungsflächen zu Gewerbegebieten erklärt werden.

Die schlichte Rechnung: mehr Gewerbegebiete = mehr Steuereinnahmen, die geht leider längst nicht immer auf. Bensheim und Heddesheim bekommen das schmerzlich zu spüren, obwohl sie doch so viele Ackerböden versiegelt haben. Dank SAP wird in Bensheim spätestens in einem Jahr eine größere Fläche freigesetzt und damit auch ca. 100 Beschäftigte. Bei ausreichender Mobilität dürfen die dann umziehen oder weit pendeln. Und in Heddesheim ist der ursprüngliche Jubel über Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen längst verstummt. 30 000qm Hallenfläche stehen dort derzeit frei und warten auf neue Nutzer.

Gewerbesteuereinnahmen sind unzuverlässig, da sollten wir einfach vorsichtig sein, was wir dafür aufgeben. Kurzfristig helfen sie uns keinesfalls. Einfach Flächen auf den Markt zu werfen, kann nicht die Lösung sein.

Die GAL hält es für notwendig und sinnvoll, für Weinheimer Betriebe, die sich hier erweitern wollen, Angebote an Gewerbeflächen zu machen. Dazu haben wir von der GAL-Fraktion realistische Vorschläge unterbreitet. Auch wenn die Realisierung ein bisschen Mühe machen wird: die Hintere Mult wird zusammen mit dem Tiefgewann und einem Streifen an der Mannheimer Straße mehr Nettofläche (nämlich 32ha) als die Breitwiesen bieten können. Da sind es Netto nur 23 ha.
Noch gar nicht fertig entwickelt ist auch das Gebiet Bergstraße / Langmaasweg – das hat 10 Jahre gedauert vom Aufstellungsbeschluss bis jetzt zur langsamen Verwirklichung. An diesem Beispiel sehen wir, dass die Diskussion weiterer Gewerbeflächen unnötig bleibt, wenn nicht auch die Realisierung betrieben wird. Warten wir also doch mal ab, auch auf die Möglichkeiten, die sich bei Freudenberg noch bieten, sowohl im Technologiepark als auch im Industriepark.

Das Tiefgewann ist sich sicherlich kein ein ideales Gewerbegebiet, es bietet Nachteile aber auch deutliche Vorteile. Ein Vorteil ist, dass es abgeschlossen ist durch Bahn, Westtangente und die Fa. Freudenberg im Süden. Und es ist schon teilweise durch die Nordanbindung erschlossen. Ein Nachteil ist seine Einordnung als Hochwasserschutzgebiet. Diese ist dringend zu überprüfen. Das fordern wir schon länger. Jetzt endlich läuft eine Anfrage an das Regierungspräsidium, ob nicht dieses HQ100-Gebiet verlagert werden könnte. Allerdings wird sich das Regierungspräsidium wird sich vermutlich leicht tun mit einer Absage und dem Beharren auf den ausgewiesenen Pläne.

Wenn aber die Überlegungen zum Tiefgewann hier aus dem Gemeinderat von der Verwaltung wirklich ernst genommen werden, so muss ein neutrales Gutachten in Auftrag gegeben werden. Damit soll nicht nur die hydrogeologische Basis und die Eignung als Gewerbegebiet überprüft werden. Unter die Lupe zu nehmen sind auch die ökologischen, klimatischen, infrastrukturellen und sonstigen Auswirkungen eines solchen Gewerbegebietes im Tiefgewann. Mit einem solchen Gutachten können wir uns gemeinsam und ernsthaft auf eine vernünftige Planung einlassen. Wir wünschen uns von Verwaltungsseite ein energischeres Herangehen bei diesen Überlegungen und auch einen entsprechenden Druck hinter dem Antrag an das RP auf die Prüfung einer Verlagerung des Hochwasserschutzgebiets.

Wir sollten behutsam umgehen sowohl mit unserem Ackerland und dem Erholungsraum als auch mit unserer Bürgergesellschaft, die unser grünes Umland erhalten möchte, jedenfalls in großer Mehrzahl. Es gibt schließlich Alternativen zu einem Gewerbegebiet Breitwiesen, die weniger schmerzen und trotzdem Perspektiven bieten. Hier können wir beweisen, dass Ökonomie und Ökologie keine Gegensätze sein müssen.

Vielleicht ist der Vorschlag der BI Breitwiesen gar nicht so schlecht: Ein neuer Bürgerentscheid zum Thema, das wäre eine faire Lösung. Denn uns kommt es nicht nur auf ökologische Lösungen an, wir wollen das Mitspracherecht aller BürgerInnen gerade bei solch brisanten Themen stärken.

Schauen wir uns jetzt noch einmal ein paar Zahlen an, gerade in Bezug auf die Einnahmenseite:
Der kommunale Finanzbericht 2016 für den Rhein-Neckar-Kreis zeigt mit zwei wichtigen Kennzahlen, dass es Weinheim eigentlich nicht so ganz schlecht geht:

Die Steuerkraftsumme von Weinheim hat sich von 40.6 Mio. € in 2008 auf 63,9 Mio. € in 2017 (vorläufig) erhöht. Damit liegt unsere Stadt in der Pro-Kopf-Betrachtung auf Platz 3 von 54 Kreisgemeinden, wenn man die Sonderfälle Walldorf und St. Leon Rot herausnimmt.
Die Gewerbesteuer für Weinheim betrug 2015 32,8 Mio. €. Auch damit liegen wir bei 744€ pro Kopf auf Platz 3 der Kreisgemeinden, ohne Walldorf und St. Leon-Rot.

Bei unseren Erträgen aus Steuern und Abgaben von insgesamt 72,8 Mio. Euro kommen nur 30 Mio. aus der Gewerbesteuer – also sollten wir uns darauf nicht so fixieren, zumal dies sehr volatile Einnahmen sind.
Die allerdings in der vergangenen Jahren immer höher ausgefallen sind als geplant. Das ist unserer vorsichtig schätzenden Kämmerei zu verdanken, um die 10% sind die tatsächlichen Einnahmen in den letzten Jahren jeweils gestiegen.

Insgesamt legen wir auf unsere Schulen großen Wert. Bildung ist schließlich die Basis für ein demokratisches Gemeinwesen, Investitionen im Bildungsbereich sind die beste Zukunftsvorsorge.
Daher sind wir ausgesprochen froh, dass das Schulzentrum in der Weststadt endlich auf den Weg gebracht wird, wir sind überzeugt, dass es ein guter Weg ist.
Und dann geht es noch um den Sport. Die Hallen an der DBS und demnächst im neuen Schulzentrum dienen der gesamten Stadt mit allen Ortsteilen. Daher brauchen wir dafür auch besondere Anstrengungen.
Die eine Anstrengung ist, ein neues Schulzentrum zu bekommen mit Dreifeldsporthalle, das aber zum ursprünglichen Preis von nur 20 Millionen €. Hoffentlich bleibt das keine Wunschvorstellung. Wir sind gespannt auf die Berechnungen der Architekten und auf unsere Diskussionen.

Dann gab es noch den Wunsch, dass die DBS-Sporthalle im ersten Bauabschnitt nur 1 Million € kosten sollte. Aber das funktionierte gar nicht, selbst 1,89 Millionen € wären weder sinnvoll für den Zeitablauf noch wirtschaftlich gewesen.

Von dieser Illusion also haben wir uns am 8. Februar verabschiedet, gut so, denn die Sanierung in zwei großen Bauabschnitten ist teuer und aufwändig genug. Ein halber Bauabschnitt dazwischen wäre noch schwieriger und vor allem teurer geworden.

Bei den Ausgaben sehen wir auch die Aufwendungen, die einer gesunden Umwelt dienen. Eine lokale Klimaschutzpolitik bleibt eine unabdingbare Aufgabe im Interesse der künftigen Generationen, damit unterstützen wir Haushaltsausgaben für erneuerbare Energien, ÖPNV und Radverkehr. Die will ich hier nur andeuten, sie haben weiterhin große Bedeutung für uns.

Wir werden noch einiges zu diskutieren haben, auf der Basis dieses Haushaltsplanes ist das allerdings schwierig, hier meine ich die Form. Wir hätten vor ein paar Jahren nicht gedacht, dass wir die alte Kameralbuchhaltung vermissen werden. Nun in der Doppik bekommen wir zwar deutlich mehr Papier – aber weniger Information. Immerhin gibt es die digitale Fassung, die sich besser durchsuchen lässt.
Aber wir haben ja nur die unvollständige Doppik. Immer noch fehlt die Eröffnungsbilanz und daher fehlen auch die Jahresrechnungen, die nun schon länger ausstehen. Wir hoffen sehr, dass sich die Personalsituation in der Kämmerei stabilisiert, so dass wir beides bekommen, damit hätten wir zumindest in der Rückschau mehr Informationen.
Unsere Zustimmung zum Haushalt bedeutet keinesfalls, dass wir mit einem Weiter so! einverstanden sein können. Wir brauchen die genannten und noch viele andere Verminderungen unserer Ausgaben. Und das nicht nur, weil wir um die Genehmigungsfähigkeit der kommenden Haushalte um bangen müssen angesichts der dahinschmelzenden Rücklagen mit steigenden Schulden. Es geht hier auch um die Glaubwürdigkeit unserer Bürgerschaft gegenüber, und damit auch um unsere Demokratiefähigkeit, die wir gerade in der Ernsthaftigkeit beweisen müssen, mit der wir die künftigen Haushalte entlasten. Nur so können wir das Vertrauen in die Demokratie erhalten oder vielleicht auch wiedergewinnen.

Den Dankesworten meiner Vorredner kann ich mich vollständig anschließen. Dank auch an alle Mitglieder der Verwaltung, die unsere Fragen immer wieder geduldig beantworten, zuletzt war das speziell der Kämmerer. Besonderer Dank gebührt allen in der Bürgerschaft, die sich für ein gutes und friedliches Miteinander in unserer Stadt einsetzen, sei es bei der Flüchtlingsbetreuung, im Umweltschutz oder in der Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen, die jegliche Förderung verdienen.