Zeit, aus der Rolle zu tanzen

Bericht von der Bundesfrauenkonferenz in Berlin am 20. – 21. 09. 2014. Nicht fallen, tanzen sollte es heißen, meint die Grüne Doro Meuren. Vor wenigen Tagen besuchte sie für den Kreisverband  Neckar-Bergstraße und den Landes-Verband Baden-Württemberg die Bundesfrauenkonferenz der Grünen in Berlin. Hier der leicht gekürzte Bericht :

 

Die Konferenz stand unter dem Motto: „Zeit, aus der Rolle zu fallen“, das zu Beginn der Veranstaltung von einigen Teilnehmerinnen bekrittelt wurde. Tenor war: „Wenn ich hinfalle, dauert’s, bis ich wieder aufstehe“ oder „Wenn ich gefallen bin, brauche ich Hilfe beim Aufstehen.“ Nun, ich hätte den Leitspruch: „Zeit, aus der Rolle zu tanzen“ auch besser gefunden, aber hinterher ist bekanntlich Jedermann klüger; Frauen halt auch. –

Nach Auskunft des Bundesfrauenreferates nahmen an der zweitägigen Veranstaltung 130 bis 180 Frauen teil. Frauen aus den meisten Bundesländern waren gekommen; über die Anwesenheit einiger Grüner Frauenpolitikerinnen (MdL) freute ich mich besonders.

Der GLS Kampus im Prenzlauer Berg war als Veranstaltungsort sehr gut gewählt, alles war super organisiert, das ganze Ambiente hatte einen positiven Einfluss auf die Arbeitsatmosphäre.

Simone Peter konnte wegen eines Trauerfalls in ihrer Familie nicht teilnehmen; Katrin GöringEckardt, Renate Künast oder Claudia Roth waren ebenfalls nicht gekommen, obwohl Claudia in der Vergangenheit immer für einige Stunden an einer BFK teilnahm.

Aus BaWü nahmen sechs Frauen teil, darunter Brigitte Lösch, Beate Müller-Gemmeke und Dr. Franziska Brantner, die am Sonntag je einen der fünf angekündigten Workshops leiteten. Brigitte: „(Arbeits-) Zeitpolitik konkret“; Beate: „Ist eine generelle Arbeitszeitverkürzung Teil der Lösung? und Franziska: „Familien brauchen Zeit“.

Die Journalistin Caroline Ausserer moderierte den ersten Teil der Veranstaltung. Nach der politischen Rede begrüßte die frauenpolitische Sprecherin und Mitglied im Bundesvor-stand der Partei, Gesine Agena, die zahlreichen Gäste. Anschließend hielt die Soziologin und Geschlechterforscherin Profn. Dn. Christel Eckart, Mitglied im erweiterten Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Zeitpolitik, die zu den Themenschwerpunkten „Zeit für Beziehungen, Zeit zum Sorgen forscht“, ihren Vortrag: „Zeit, aus der Rolle zu fallen“. Ihre Reflexionen im Kontext von Geschlechter- und Zeitpolitik und ihrer gesellschaftlichen Verankerung für Frauen waren ein intellektuelles Highlight, wenngleich ein soziologischer Exkurs auf recht hohem Niveau. Die Frage: „Wofür will ich mehr Zeit?“, die sie an uns richtete, waren an diesem Samstagvormittag die Basis für vertiefende Gespräche und Diskussionen in Workshops.

Frau Eckart … erinnerte daran, dass es von Bedeutung sei, dass Programmprozesse der Partei diskutiert werden und nicht so schnell in Parolen ausarten sollten. Aus dem Blick von Erfahrungen von Frauen wollte sie sprechen. Die eigene Erfahrung, welches Handeln steht dahinter und welche gesellschaftspolitischen Verwandlungen sind damit verbunden, auf diese beiden Fragen konzentrierte sie sich:

  1. mit den Umbrüchen der Arbeitsgesellschaft
  2. der ökonomischen Existenzsicherung und ihre Zwischenmenschlichkeiten (Arbeiten und Leben).

Sie verwies darauf, dass dies alte Themen aus den 1970er Jahren seien: Arbeitsbedingungen und Zeit für Frauen. Sie definiert Familie nicht im herkömmlichen Sinne, sondern spricht von verlässlicher und solidarischer Beziehung zwischen Personen, selbst hergestellt.

Zeitnöte, Zeitbeschleunigung seien Begriffe, die immer mehr ins gesellschaftliche Bewusstsein rückten. Lesenswert sei der letzte SPIEGEL-Artikel „Der Uhrmensch“; schon das Titelblatt: Gegen die Uhr – Die hektische Suche nach einem entschleunigten Leben mache neugierig auf die Analyse dieses Phänomens. Allerdings befände sich darin kein Satz über das Gegenbild, um dieser Hetzerei entgegen zu treten. Einerseits spare der moderne Mensch immer mehr Zeit und habe andererseits trotzdem immer weniger davon.

„Zeit für Zeit: Anders arbeiten – besser leben“ habe doch erst kürzlich auch der Slogan einer Veranstaltung der Grünen gelautet.

Schon der große Philosoph und Soziologe Norbert Elias befasste sich in den 1980er Jahren in seiner Schrift „Über die Zeit“ mit dem Thema Zeit. Für ihn war sie keine naturgegebene Erscheinung, sondern eine Beziehungsform, die Menschen zwischen mehreren Geschehensabläufen herstellten. Zeitbestimmung Zeitwahrnehmung setzte für ihn die Fähigkeit voraus, aufeinander folgende Ereignisse gleichzeitig zu betrachten, aber auch die Erkenntnis, dass sie nicht zusammen geschehen sind. Für den Umgang mit Zeit und den damit zusammenhängenden Phänomenen wie Hektik und Stress, wollte Elias deutlich machen, dass Zeit gesellschaftlich konstruiert wird und die Gesellschaft somit die Zeit bestimmt. Die Zeit zu bestimmen bedeutet, es werden bestimmte Abläufe zum Maßstab über andere erhoben. Die Zeit wird knapp! Wofür? Ein Ausdruck für den Fetischcharakter von Zeit, da nicht die sozialen Dimensionen definiert werden. Zum Alltagsvokabular gehöre auch der Zeitdruck. Wir wüssten oft nicht, was unsere Prioritäten sind. Zeiten des Um-bruches seien oft Erschütterungen, denn es müssten neue Rollen gefunden und gelebt werden.

Zeitpolitik hat aber auch das Ziel, Möglichkeiten und Bedingungen für Übergangszeiten zu schaffen. Erprobung neuer Beziehungsformen, Veränderungsprozesse brauchen wir, kommt jedoch in der Politik gedanklich wenig vor. Prozesse der Veränderung und der Austausch darüber, Zeit als Beziehungsform im Sinne verschiedener Zusammenhänge und den Beziehungen mit Menschen benötigten jedoch Zeit. –

Auch die Deutsche Gesellschaft für Zeitpolitik geht davon aus, dass Demokratie Zeit braucht. Zeit für Debatten und Streit, Beteiligungen und Ideen, Entwicklungen und die Einigung auf Lösungen.

Mit der Parole der Frauenpolitik: „Das Private ist politisch“ oder „Das Persönliche ist politisch“ sprachen Frauen erstmals über ihre privaten Beziehungen zu Männern, über Kindererziehung oder Gewalt und begannen, diese Bereiche zu politisieren. Damit wurde in der Gesellschaft ein neues Politikfeld geöffnet, in welchem unmittelbar gekämpft wurde, um sich an der gesellschaftlichen Gestaltung beteiligen zu können. Dazu benötigten Frauen Zeit, die sie sich erkämpfen mussten. Konzepte von Zeitpolitik sind deshalb danach zu beurteilen, ob und wie den Frauen die Teilnahme in der Gesellschaft ermöglicht wird, um ihr Leben, auch im Politischen, selber zu gestalten.

Im Vortrag fehlte auch nicht der Hinweis auf die Philosophin Hannah Arendt, die sich in ihren Schriften ebenfalls mit dem Zeitbegriff beschäftigt hat und eine andere Auffassung als viele ihrer damaligen Zeitgenossen vertritt. –

Weitere Thesen aus Professorin Eckarts Rede:

  • Adult-worker-Model“. So wird ein zwischen den Geschlechtern symmetrisches Modell der Arbeits- und Rollenverteilung bezeichnet. Viele feministische Forscherinnen sehen seit den 1990er Jahren eine Änderung in den Beziehungen zwischen den Geschlechtern. Fürsorgebeziehungen lösen sich auf, doch das Problem „Who cares“ ist immer noch nicht zufriedenstellend gelöst. Die Norm des männlichen Familienernährers bröckelt zwar, doch 2/3 aller Pflegebedürftigen werden immer noch zu Hause versorgt, in der Regel von Frauen.
  • In den Erwerbsverläufen von Frauen spielen Minijobs in Deutschland eine unter-schiedliche Rolle. Es gibt Gruppen von Frauen, deren Erwerbsbiografien als Folge von Minijobs, selten freiwillig gewählt, Zug um Zug prekär verlaufen. Hier zeigen Minijobs in folgenschwerer Weise ihre negativen Wirkungen, wie Einkommens- und Alters-armut. Dem Leitbild eines Adult-Worker-Models entsprechen sie ohnehin in keinem Fall.
  • Der unter der Regie von Ulrike Ottinger gedrehte Film mit dem Titel „Gold, Liebe Abenteuer“ kam Ende der 1970er Jahre in die Kinos. Darin verspricht die Protagonistin allen Frauen, die gewillt sind, ihren bequemen, aber langweiligen Alltag einzutauschen, eine Welt voller Aufregungen, Gefahren und Ungewissheit, aber auch voller Liebe und Abenteuer. Das „forderten damals auch die Feministinnen von der Gesellschaft und wollten dafür dann die Grünen wählen.“

Wofür wollen wir Zeit?“ lautete eine ihrer rhetorischen Fragen; sie führte dazu u.a. aus:

  • Zeit zum Sorgen, womit auch Fürsorge verbunden ist. Sie ist ein unerlässlicher Teil unserer Persönlichkeit und menschlichen Kommunikation (conditio humana), denn Menschen sind auf emotionale Zuwendung angewiesen, auf Wünsche nach Akzeptanz.
  • Zeit, um Verantwortung übernehmen und sozial gestalten zu können, denn bessere soziale Bedingungen sind Gegenstand und Ziel politischer Gestaltung.
  • Diskussionen um Zeitpolitik sollen so geführt werden, dass sie Veränderungen bewirken (Fürsorge für sich selbst und für Andere);
  • selbst Grenzen zu ziehen, sich üben in der Kunst der Abdankung. Nicht ich bin überfordert, sondern ich werde überfordert.

In diesem Zusammenhang verweist die Referentin auf ein Buch mit dem Titel: „Das erschöpfte Selbst“. Der Autor sieht z.B. in der Ausbreitung von Depressionen oder Burnout, dem steigenden Konsum von Antidepressiva und der Zunahme von Alkoholismus Reaktionen auf die überall verbreitete Erwartung von Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung. Für diese Verkehrung haben Individuen heute zu zahlen.

  • „Work-Life-Balance“

steht für eine Lebenslage, in dem Arbeits- und Privatleben miteinander in Einklang sind. Können wir das selbst managen? Männer sind immer noch zu sehr eingeschlossen in einer ruinösen Routine, die auch der Abwehr von Ängsten dient; sie sind zu sehr auf den Beruf beschränkt, während die Beziehung zur Familie begrenzt ist.

  • Das Private neu denken

Frauen werden immer noch an der Teilnahme von Öffentlichkeit gehindert. Sie schaffen sich eine ihnen angemessene Privatheit durch Anerkennung wechsel-seitiger Abhängigkeit.

Es ist genug, um sich die Zeit zu nehmen, aus der Rolle zu fallen. Widerstand gegen Verein-nahmung, eigensinnige Lebensentwürfe, das Recht auf eigene Zeit, der Anspruch, eigene Erfahrungen machen zu können, all das muss möglich sein (s. Deutsche Gesellschaft für Zeitpolitik) [www.zeitpolitik.de/pdfs/zeit-glossar.pdf ].

„Wer was verändern will, muss seine Rolle aufgeben.“

Für ihr sehr kluges Schlusswort und den Vortrag erhielt Profn. Christel Eckart langen Beifall.

 

Nach der Mittagspause … Workshop 1: Zeitpolitik: was ist das eigentlich – Konzepte Grundlagen, geschlechtergerechte Perspektiven“ mit Ulle Schauws (MdB) und Profn. Christel Eckart, der inhaltlich an den Vortrag vom Vormittag anknüpfte.
Dazu einige Schlagwörter:

Ein Anti Stress Gesetz wäre eine Möglichkeit, um der steigenden Anzahl stressbedingter Erkrankungen präventiv zu begegnen. Erst kürzlich veröffentlichte die OECD Zahlen, denen zufolge sich die Work-Life-Balance in fast allen europäischen Ländern verschlechtert hat. Nahezu ein Viertel der in Deutschland Beschäftigten steht auch nach Feierabend für Arbeit zur Verfügung, jeder fünfte Erwerbstätige ist wegen der ständigen Erreichbarkeit für Aktivitäten mit Freunden oder der Familie zu ausgepowert.

Mit der Einführung neuer Modelle: „Zeit zum Leben, Zeit zur Arbeit“, wie es die Deutsche Gesellschaft für Zeitpolitik fordert, hat die Grüne Bundestagsfraktion das Thema Anfang September 2014 aufgegriffen. In diesem Zusammenhang verweist Frau Eckart auf andere europäische Länder. In ihrer Schrift „Bessere Zeiten für die Stadt : „Frauen verändern die Zeiten der Stadt“ geht es um die Gestaltung von Zeiten, die zu einem Maßstab der Chancengleichheit im Geschlechterverhältnis gemacht wurden. Sie sollten auch zu Maßstäben der Politik gemacht werden. Die Initiative ging ursprünglich von Italien aus („tempi della citta“-Impuls) und wurde von einem breiten Spektrum von Feministinnen getragen.

ÖTV-Frauen formulierten auf ihrem Gewerkschaftstag 1988, Zeitsouveränität könnte für Frauen heißen, Zeit für eigene Interessen jenseits der vorgegebenen Zuordnung zu Familie und Erwerbstätigkeit, nach eigener Entscheidung, nach eigenen Bedürfnissen und Interessen zu verbringen.

In seinem Grundsatzprogramm „Die Zukunft gestalten“ aus dem Jahre 1996 formuliert der DGB seinen Gestaltungsanspruch für eine sich rapide wandelnde Gesellschaft und rückt vom Leitbild des von der Familienarbeit entlasteten männlichen Arbeitnehmers als Normalarbeiter ab. (Im Beitrag „Arbeit schaffen und Arbeit teilen“ (S. 7) wird die soziale Anerkennung auch von Fürsorgebeziehungen betont.).

Die Feministin und Profn. Ilona Ostner forderte bereits 1995 in ihrem Buch „Wandel der Familienformen und soziale Sicherung der Frau oder: Von der Status- zur Passagen-sicherung“, dass an die Stelle des Alleinernährermodells als allgemeines Leitbild Formen der Existenzsicherung treten sollten.

Das Hanauer Frauenplenum, ein Netzwerk von Frauen, bestehend aus Initiativen, den Kirchen, Parteien und anderen Organisationen, hat vor etwa einem Jahrzehnt den „tempi della citta“-Impuls aus Italien aufgegriffen und das Projekt „Hanau – die zeitbewußte Stadt“ entwickelt. Weitere Informatioen unter www.hanau.de.

Profn. Eckart:

Schweden hat ein anderes Verständnis von Reproduktions- und Erwerbsarbeit; die volle Erwerbsarbeit hierzulande ist ein phantasiearmes Modell für Frauen. Die gesellschaftlichen Bedingungen müssen verändert werden, damit Frauen sich frei entscheiden können, ob sie eine oder mehrere Rollen übernehmen. Ziel sollte die Schaffung von demokratischen Geschlechterverhältnissen sein, denn Männer müssen sich verändern, deren Rollen-verhalten ist das Problem, denn Frauen verändern sich seit Jahren. –

Am Sonntagvormittag, 21.09.2014,

gab es einen Input von Irene Alt, Ministerin für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen von Rheinland-Pfalz und für 2014 auch Vorsitzende der Jugend- und Familien-ministerkonferenz (JFMK). Sie referierte zu „Durchsetzungsmöglichkeiten und Strategien für eine geschlechtergerechte Zeitpolitik als Regierungshandeln“. Ihr Fazit: Familien fühlen sich in unserer Gesellschaft unter Druck; sie wünschen sich mehr Zeit, insbesondere mehr Wahlfreiheit für die Familie und in der Zeitgestaltung.

Sie verweist auf den 8. Familienbericht aus dem Jahre 2011: Zeit für Familie – Familienzeit-politik als Chance einer nachhaltigen Familienpolitik. In ihm ging es u.a. um familien-freundliche Zeitpolitik, um flexible Arbeitszeitmodelle. Dazu einige Stichpunkte:

  • Zeit ist nicht an sich knapp, sondern ist einfach ungleich verteilt;
  • die vorgegebenen Zeitstrukturen belasten die Familie (Arbeits- und Lebensrealität der Eltern korrespondieren nicht immer mit den Öffnungszeiten von Einrichtungen);
  • Zeit gibt’s oft im Überfluss, die aber nicht richtig genutzt wird;
  • die Qualität der Zeit ist oft nicht gut;
  • 2012 wurde das Kita!Plus-Programm aufgelegt, mit dem die Landesregierung die rheinland-pfälzischen Kindertagesstätten weiterentwickeln möchte. Hauptziele sind eine stärkere Familienorientierung und mehr Zusammenarbeit mit den Eltern;
  • 42 % der Kosten des Versorgungsbereiches für Kinder (z.B. U 3) tragen die Kommunen, während sich der Bund am Ausbau kaum beteiligt.
  • ZeitZeichen – Balance als Chance.

Weitere Informationen unter: [http://www.zeitzeichen-rlp.de/home/index.htm]

  • Zeitpolitik, sie ist ein sehr sensibles Thema, jedoch kein Frauenthema, sondern betrifft die ganze Gesellschaft (Kulturwandel);

 

Schlusswort von Min. Irene Alt:

„Die Zeit ist gekommen, um sich Zeit zu nehmen zur Klärung von Fragen.“

 

Danach wählte ich aus den vielen Workshops: Modelle der Zeitpolitik: 2. Familien brauchen Zeit, den Dr. Franziska Brantner (MdB), Sprecherin für Familienpolitik sowie Dr. Karin Jurczyk, Abteilung Familie und Familienpolitik im Deutschen Jugendinstitut München, leiteten. Franziska bezog sich in ihren Ausführungen zum Thema auf die Fraktionstagung „Zeit Für Zeit“ am 03. September 2014.

http://www.franziska-brantner.eu/familien-und-kinderpolitik/zeit-fuer-zeit-anders-arbeiten-besser-leben.

Frau Dr. Juczyk hat in der Deutschen Gesellschaft für Zeitpolitik einen Beitrag über: „Zeitkonten“ und „atmende Lebensverläufe“ – warum wir eine neue Debatte um Zeit, Geschlecht und Erwerb brauchen“ veröffentlicht, der in einer Kurzfassung im Deutschland-radio Kultur gesendet wurde. Ferner war sie 1984 am Arbeitszeitgesetzentwurf für die Bundestagsfraktion der GRÜNEN beteiligt. Sie fragte: „Gibt es noch eine Grüne Vision?“ und stellte die nachfolgenden Punkte zur Diskussion:

  1. Partnerschaft und Geschlechtergerechtigkeit
  2. Große Fragen – kleine Fragen (Zeitsouveränität);
  3. Immer mehr Mütter wollen nicht die volle Arbeitszeit, sondern ihre Sorge für den Nachwuchs behalten (Retraditionalisierung)

[s. Gastbeitrag an der FU Berlin, Mai 2002: „Entgrenzung der Erwerbsarbeit – Retraditionalisierung, Ende oder Modernisierung von Familie“].

  1. Wie verhindern wir eine Eliten-Debatte?
  • Das Aushandeln geht von einer gleichberechtigten Basis im Hinblick auf Arbeitsmarkt, Steuer- und Lohngerechtigkeit aus. Absolute Gleichheit ist aber eine soziale Illusion, denn wenige Menschen besitzen viel und viele wenig;
  • Schichtarbeiterinnen fehlen Kitas, die 24 Stunden geöffnet sind. Hier muss die Infrastruktur verbessert werden, damit Frauen einer existenzsichernden Arbeit nachgehen können.
  • Das in Deutschland praktizierte Ehegattensplitting begünstigt kinderlose und Alleinverdiener-Ehen, während Familien mit Kindern oder Alleinerziehende von dieser Besteuerungsmethode nicht profitieren. Die Grünen, so im letzten Wahlprogramm festgeschrieben, wollen das Ehegattensplitting durch eine Individualbesteuerung mit übertragbarem Grundfreibetrag ersetzen.
  • In Frankreich existiert ein Familiensplitting, das zwar an Kinder, nicht aber an eine Ehe gebunden ist. Es genügt die Verpflichtung zur Gewährung von Unterhaltsleistungen. Ab dem 3. Kind ist diese Art der Besteuerung besonders wirksam, um den Eltern die Entscheidung für ein drittes Kind zu erleichtern. Sie (die Kinder) sind sozusagen ein „Steuersparmodell“.
  • Das schwedische Modell hatte (1971?) eine lange Übergangsphase. Wichtigster Pfeiler der Familienpolitik ist der sogenannte Elternurlaub von insgesamt 480 Tagen für jedes Kind, auf den grundsätzlich Mutter und Vater Anspruch haben. Ein fast flächendeckendes Netz von Kindergärten, Kinder-tagesheimen und Vorschulen ermöglicht beiden Eltern eine Erwerbstätigkeit. Schwedische Eltern mit Kindern unter acht Jahren haben das Recht, ihre Arbeitszeit um bis zu 25 % zu kürzen.

Die im Programm vorgesehene Podiumsdiskussion mit dem Titel „Zeit aus der Rolle zu fallen – Welche Leitbilder braucht geschlechtergerechte Politik“ mit der Journalistin Meredith Haaf (Gründungsmitglied des feministischen Blogs Mädchenmannschaft e.V., Mitautorin des Buches: Wir Alphamädchen – warum Feminismus das Leben schöner macht) sowie Barbara Unmüßig unter der Moderation von Gesine Agena fand ich, in Folge der Abwesenheit von Barbara Unmüßig (Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung), die wg eines Todesfalles ihre Teilnahme abgesagt hatte, etwas langatmig und monoton.

Alles in Allem fand ich jedoch die Vorträge und Workshops sowie die Referentinnen als Expertinnen und Wissenschaftlerinnen sehr kompetent, fachkundig, versiert sowie gut vorbereitet. Es waren zwei Tage, an denen ich viel Neues über Zeitpolitik erfahren habe und damit sogar mein feministisches Wissen erweitern konnte.

Dieser Bericht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn er ist aus meinen Aufzeichnungen, meist Stichworten, entwickelt worden. Vielleicht gewinnen dennnoch Frauen, die nicht in Berlin dabei sein konnten, einen kleinen Einblick in zwei ausgefüllte Tage der Bundesfrauenkonferenz.

Doro Meuren

BAG Frauenpolitik

KV Neckar-Bergstraße