Nicht allen Recht machen

Zum Auftakt des neuen Jahres sprach die Fraktionsvorsitzende der GAL, Stadträtin Elisabeth Kramer, im Rahmen des Neujahrsempfang im Alten Rathaus am 06. Jan. 2015:

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Gäste

Wir leben in widersprüchlichen Zeiten, auch hier in Weinheim. Wenn ich den OB zitiere, dann ist die Welt aus den Fugen geraten, schaue ich aktuelle Umfragen an, sind die Deutschen so optimistisch wie nie zuvor. Werden die Pegida-Leute gefragt, dann antworten die meist gar nicht, und wenn dann mit diffusen Ängsten und Vorwürfen an die Politik ganz allgemein. Trotzdem müssen wir da hinschauen.

 

Es wird also von außen wenig Orientierung geboten. Wonach sollen wir uns richten? Wie sollen wir unsere Entscheidungen im Weinheimer Gemeinderat und in den Ausschüssen begründen?

 

Der OB wirft uns vor, uns zu sehr an den Wählerinnen und Wählern zu orientieren. Er hat mächtig geschimpft mit uns, dem Gemeinderat, wir schauten zu sehr auf das Wahlvolk und würden dessen Wünsche erfüllen. Das führt, ganz klar, zu hohen Ausgaben für die Stadt. Da hat er Recht. Aber er hängt bitteschön genauso mit drin, auch er versucht doch, es möglichst vielen recht zu machen. Die Großprojekte in den kommenden Jahren werden uns nicht nur investiv viel abverlangen, die Folgenkosten sind belastend, für die kommenden Jahre und Jahrzehnte. Neue Hallen kosten eben Geld, nicht nur im Bau, auch im Betrieb. Wir balancieren also bei unseren Entscheidungen zwischen unserer Bürgerschaft und dem, was unsere Richtlinien uns abverlangen. Nirgends ist die Politik so nah dran an den WählerInnen wie in der Kommune.

 

Wir können es aber nicht allen Recht machen, wir brauchen für unsere Entscheidungen eine Richtschnur, die jenseits der Wählerstimmen liegt. Da haben wir Grünen es leichter als manche andere Gruppierung im GR: Wir haben uns ja zusammengefunden aufgrund der Ähnlichkeit in der Zielrichtung unseres politischen Willens. Wir wollen eine möglichst intakte, gesunde Umwelt und ein gerechtes Miteinander der Menschen untereinander und mit der Natur.

 

Zum Umgang mit unserer Landschaft fällt uns immer wieder das Thema Gewerbeentwicklung ein. Für den OB und einen Großteil des GR ist die freie Landschaft hauptsächlich dazu da, in Gewerbeflächen umgewandelt zu werden. Ansonsten, so wird gedroht, könnten wir unseren guten Standard im Bereich Bildung und Betreuung nicht halten. Wir sehen aber die gesamte Lebensqualität in unserer Stadt, und zwar in umfassender Weise. Und da gehört unsere grüne Umgebung dazu, eben auch die Feldflur in ihrem mehrfachen Nutzen für Landwirtschaft, Erholung und als Überlebensgebiet für Tiere und Pflanzen. Es wird immer bei neuen Baugebieten gestöhnt über die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen, dabei sind die allesamt mehr als dürftig und bringen nur wenig an echtem Ausgleich für die Natur. Wenn wir weiter alles zubauen, wird der Ausgleich immer teurer – dann gehören auch Fuchs und Dachs, bis jetzt noch ohne Schutz, zu den bedrohten Arten wie jetzt schon Fledermäuse und Co. Und immer noch gibt es Mitglieder in unserem Gemeinderat, die solche Themen nicht ernst nehmen können. Oder nur, wenn es um Windräder geht, die das Landschaftsbild verändern. Ober sie stören, liegt ganz im Auge des Betrachters, der Artenschutz ist natürlich streng zu beachten – nun, wir werden sehen, ob da etwas zu realisieren ist.

 

Zur Sanierung unseres Haushalts wird die Windkraft kaum beitragen können, es sollen neue Gewerbegebiete entwickelt werden in der Feldflur. Dazu wird die Landwirtschaft schlechtgeredet, zu wenig Arbeitsplätze pro Fläche, zu viel intensive Landwirtschaft. Das ließe sich aber durch unser Kaufverhalten beeinflussen: mehr Bioprodukte im Einkaufswagen belohnen und stärken eine verträgliche Produktion.

Die Chancen für eine ökologischere Landwirtschaft steigen dann auch in Weinheim. Wenn aber erst mal ein Gewerbegebiet in der Feldflur ein entsteht, ist diese Perspektive weg.

 

Trotzdem sehen wir uns in der Pflicht, unserer Stadt eine ausreichende Finanzierung zu sichern. Höhere Gewerbesteuersätze, das haben wir deutlich erfahren, sind kein Grund für Betriebe, von einer Ansiedlung hier abzusehen. Am beliebtesten sind immer noch die größeren Orte in unserer Umgebung, und die haben weit höhere Gewerbesteuern als wir hier.

Eine Stadt wie Weinheim bietet der Einwohnerschaft und auch dem ansässigen Gewerbe wirklich gute Möglichkeiten – das darf auch ein klein wenig mehr kosten. Und wir müssen dann nicht die Landschaft opfern, die doch gerade von vielen hier geschätzt wird.

Warum also die hiesigen Betriebe vor einer sanften Erhöhung verschont werden sollen, bleibt ein Rätsel – vielleicht ist es aber auch allzu offensichtlich.

 

Soviel zum friedlichen Miteinander mit Natur und Landschaft. Aber wir wollen auch untereinander einen guten Umgang haben. Dazu gehört auch der Straßenverkehr. Hier hat uns gerade 1. BM Torsten Fetzner erläutert, dass ein städtisches Radwegekonzept für eine grundlegende Verbesserung für den Radverkehr sorgen soll. Das freut mich natürlich besonders, sehe ich doch in den ersten Maßnahmen durchaus eine vernünftige Richtung. Ein vollständiges Konzept mit durchgehenden Wegen ist allerdings kaum nötig, RadlerInnen suchen sich selber ihre Wegeführung. Man muss eben schauen, wo diese Wege sind, dann kann man an etlichen Kreuzungen Verbesserungen und entlang von wichtigen Fahrbahnen eher Radschutzspuren als bordsteingetrennte Radwege einrichten. Der Weinheimer ADFC ist da in guten Gesprächen mit den Stadtplanern, ich bin da ganz optimistisch.

 

Und beim guten Miteinander darf das Thema Flüchtlinge nicht fehlen, wie schon meine VorrednerInnen. Mir geht es jetzt mal ums Lokale.

 

Zunächst einmal bin ich ausgesprochen froh und dankbar dafür, dass unsere GR-Beschlüsse zum Thema Aufnahme der Flüchtlinge in menschenwürdigen Unterkünften, dass diese Beschlüsse allesamt einstimmig gefällt wurden. Gemeinderat und Verwaltung zeigen hier Verantwortung und auch Mitgefühl. Wir können nun zuversichtlich der Ankunft der ersten neuen Flüchtlinge in einer Übergangsunterkunft entgegensehen. Denn schon bisher haben wir Flüchtlinge bei uns, das wird oft übersehen, an die 100, die in städtischen Einrichtungen zur Folgeunterbringung leben, vom Arbeitskreis Asyl im Ehrenamt betreut werden. Da kommen inzwischen aufgrund der neuen Meldung noch neue Hilfskräfte dazu, es reicht natürlich immer noch nicht. Also wer noch helfen kann – Kontaktadressen sind bekannt. Schön und im Sinne eins guten Miteinander wäre es gewesen, hätten wir im GR auch die Einrichtung des Internationalen Ausschusses einstimmig beschließen können. Aber immerhin: Wir bekommen ihn, in den kommenden Monaten wird er sich konstituieren und arbeiten können für bessere Partizipation alle EinwohnerInnen hier in Weinheim.

 

Zurück zu den Flüchtlingen: Jetzt wird der Landkreis bei uns Gemeinschaftsunterkünfte bauen, bekanntlich drei für je ca. 80 Personen. Und die strikt ablehnende Haltung manche Anwohner hat sich deutlich abgemildert: Ich denke, das geschah auch durch die breite Information, mit Hilfe der vielen Anhörungen durch die Verwaltung und auch durch uns StadträtInnen selbst – da wurde nicht jeder zum Flüchtlingsfreund, sicher nicht, aber wir dürfen zuversichtlicher sein als noch vor einem Jahr, dass hier eine gute Aufnahme stattfinden wird. Das Netzwerk NAWI Netzwerk Asyl Weinheim für Integration leistet hervorragende Arbeit. Und dann haben wir jetzt das „Bunte Weinheim“, inzwischen aus Fleisch und Blut, herausragend dabei der Jugendgemeinderat, der den schönen Spaziergang gestern in Gang gesetzt hat. Und das wiederholen wir jetzt jeden Monat.

Der JGR ist gerade auf dem Gebiet des freundlichen Miteinanders gut in der Öffentlichkeit angekommen, das hat er mit den Statements im „großen“ GR bewiesen, das war sehr ansprechend. Und auch allgemein hat sich der JGR gut entwickelt und kann der Neuwahl im März optimistisch entgegensehen. Wenn dann noch die Grundlagen durch die neue Gemeindeordnung verbessert werden – dann kann der JGR noch besser agieren, wir freuen uns drauf.