Prostituierte schützen und stärken

Sex gegen Bares gilt als das älteste Gewerbe der Welt. Union und SPD haben sich vorgenommen, das Gewerbe gesetzlich neu zu regeln. Spätestens 2016 soll es ein neues Prostituiertenschutzgesetz geben. Kürzlich fand das erste mehrstündige Gespräch von Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) mit Fachpolitikern der Koalition statt. Hier ist die grüne Position :

 

FRAKTIONSBESCHLUSS VOM 23.9.2014

» PROSTITUIERTE SCHÜTZEN UND STÄRKEN – DIE GRÜNE POSITION ZUR PROSTITUTION

Wir treten für die Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation der Prostituierten und ihren größtmöglichen Schutz ein. Dazu brauchen wir eine Novellierung des Prostitutionsgesetzes. Ein Prostitutionsstättengesetz und der Ausbau von Beratung sowie das Aufzeigen von beruflichen Alternativen zur Prostitution sind wesentliche und zielführende Reformvorschläge.

PROSTITUTIONSGESETZ WEITERENTWICKELN

Die Situation vieler Prostituierter ist verbesserungsbedürftig und braucht klar geregelte Rahmenbedingungen. Die rechtliche Lage für diejenigen, die mit Prostitution ihr Geld verdienen, wollen wir verbessern und sie vor Ausbeutung und Gewalt schützen. Wir stellen uns gegen alle Bestrebungen, Menschen in der Prostitution zu kriminalisieren und zu diskriminieren.

Die Arbeitsbedingungen und Verdienstmöglichkeiten in der Prostitution sind sehr unterschiedlich. Sie reichen vom Escort-Service über die Wohnungs- oder Bordellprostitution bis hin zur Straßenprostitution. Um dem gerecht zu werden und eine sachliche Debatte führen zu können, müssen verschiedene Bereiche unterschieden werden: Ein Bereich, in dem Prostituierte selbstbestimmt arbeiten; ein Bereich, in dem Prostituierte ausgebeutet werden, z.B. durch Mietwucher, Umsatzbeteiligung der BetreiberInnen oder Ausnutzung von Abhängigkeiten; ein Bereich von illegaler und hochkrimineller Zwangsprostitution und Menschenhandel.

Es gibt Frauen und Männer, die aus eigener Entscheidung in der Prostitution arbeiten. Diese Frauen und Männer als Opfer zu bezeichnen, ignoriert ihr Selbstbestimmungsrecht und ist bevormundend. Die Ausübung der Prostitution unterliegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG (BVerfG 1 BvR 224/07 vom 28.04.2009).

Die Grenzen zwischen legaler Prostitution und Ausbeutung in der Prostitution erscheinen oft fließend und machen es schwierig zu unterscheiden, wo selbstbestimmte Arbeit in der Prostitution beginnt und endet. Soziale Not und Drogenabhängigkeit schränken die Handlungsfreiheit und Autonomie von Menschen ein. Schulden und Marginalisierung beispielsweise können Prostituierte zu Opfern von ausbeuterischen Verhältnissen und gewalttätigen Übergriffen durch Zuhälter werden lassen.

Wenn wir über Prostitution in ihrer Bandbreite reden, dürfen wir über Armut nicht schweigen. Gerade Menschen in prekären wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen sehen hier immer wieder eine Möglichkeit des Gelderwerbs.

In den letzten Jahren ist die Armutsprostitution und ausbeutende Prostitution vor allem von Prostituierten aus Südosteuropa sichtbarer geworden. Häufig erscheint insbesondere Migrantinnen, die sich in ihren Herkunftsländern in existenzieller und sozialer Notlage befinden, die Prostitution als Ausweg aus ihrer Perspektivlosigkeit.

Die Arbeit in der Prostitution ist von gesundheitlichen Risiken und oft großer psychischer Belastung geprägt, die sich aus der Tätigkeit selber, aus schlechten hygienischen Verhältnissen und Konkurrenz

untereinander ergeben. Auch die Gefahr, Opfer von Erpressungs- oder Gewaltdelikten zu werden, ist hoch.

In den letzten Jahren gab es verstärkte Debatten über Straßenprostitution und Großbordelle. Prostitution wird von manchen zum einen als belästigend und zum anderen als entwürdigend für die Frauen empfunden. Insbesondere für die Straßenprostitution gilt, dass die Konkurrenz zwischen den Prostituierten zugenommen hat. Prostituierte berichten, dass Freier aggressiver auftreten. Viele Neugründungen von Bordellen finden in den Billigsegmenten statt. Insbesondere in einigen Großstädten und in grenznahen Regionen wird dies von Teilen der Bevölkerung als Belastung empfunden.

Die Diskussion über den Umgang mit Prostitution muss die Unterschiede in der Art der Prostitution und Probleme von krimineller Ausbeutung, Abhängigkeiten, Zwang und Gewalt berücksichtigen. Wir müssen politische Antworten für die gesamte Bandbreite finden. Wir wollen deshalb das Prostitutionsgesetz weiterentwickeln und mehr Angebote und Kontrollen für bessere Arbeitssicherheit und Schutz vor Ausbeutung einführen. Ein Zurück in die Sittenwidrigkeit und Kriminalität lehnen wir ab. Es gibt keine Belege dafür, dass Repressionen und Kriminalisierung Prostitution verhindern. Ein Verbot der Prostitution lässt diese nicht verschwinden, wie Erfahrungen aus Schweden zeigen. Prostitution würde verlagert, weniger sichtbar, wodurch Prostituierte weniger geschützt werden können. Deshalb lehnen wir ein Prostitutionsverbot ab. Auch Organisationen gegen Menschenhandel, wie z.B. La Strada, empfehlen, Prostitution aus der Dunkelzone hervorzuholen, um wirkungsvoll gegen Menschenhandel vorzugehen.

MENSCHENHANDEL BEKÄMPFEN

Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ist ein Verbrechen. Eine Gleichsetzung von selbstbestimmter Prostitution und Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung wird den Problemen allerdings nicht gerecht, da Opfer von Menschenhandel bzw. Zwangsprostitution andere Unterstützungsangebote benötigen.

Die nationale Umsetzung der EU-Richtlinie zum Menschenhandel, der EU-Opferschutzrichtlinie sowie der Europaratskonvention gegen Menschenhandel verpflichten zu einem Vorgehen gegen Menschenhandel. Diese Vorgaben wurden bisher weder von dieser noch von der vorhergehenden Bundesregierung umgesetzt. Bisher existieren Vorschriften, welche die Ausbeutung von Prostituierten (§§ 180a, 181a StGB) und den Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (§232 StGB) unter Strafe stellen und Regelungen zum Jugendschutz (§§ 184e und f StGB). Zum besseren Schutz vor Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung gilt es, mehr Rechte, Schutz und Alternativen zur Prostitution zu gewährleisten. Zuletzt hat die grüne Bundestagsfraktion 2013 einen Gesetzesentwurf zur Bekämpfung von Menschenhandel eingebracht, in dem konkrete Maßnahmen gegen sexuelle Ausbeutung und Arbeitsausbeutung vorgeschlagen wurden (Drs. 17/10843). Nach wie vor sind wir der Auffassung, dass Freier, die wissentlich sexuelle Dienstleistungen von Opfern von Menschenhandel in Anspruch nehmen und damit deren hilflose Lage ausnutzen, bestraft werden sollen. Um kriminelle Milieus rund um die Prostitution wirksam zurückdrängen zu können, müssen jedoch auch ZeugInnenschutzprogramme und Kooperationen mit den Herkunftsländern sowie die Möglichkeiten zur Strafverfolgung der TäterInnen und zur Kontrolle von Prostitutionsstätten verbessert werden. In unserem Positionspapier „Die Opfer schützen – Menschenhandel wirksam verhindern“ führen wir genauer aus, wie wir in Deutschland gegen Menschenhandel vorgehen können.

DAS PROSTITUTIONSGESETZ VON 2002

Wir wollen das Prostitutionsgesetz von 2002 reformieren, da wir für die heutigen Problemlagen in der Prostitution weiteren Regelungsbedarf sehen. Das Gesetz war ein erster wichtiger Schritt, um die Rechtssituation von Prostituierten zu verbessern.

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Seitdem Prostitution nicht mehr sittenwidrig ist, können Prostituierte ihren Lohn gegen Freier einklagen. Auf der anderen Seite blieb es dabei, dass ein Freier keinen durchsetzbaren Anspruch auf die Dienstleistung erwirbt, da dies gegen die sexuelle Selbstbestimmung der Prostituierten verstoßen würde. Das Prostitutionsgesetz schränkt für die Fälle abhängiger Beschäftigung das Weisungsrecht für ArbeitgeberInnen in Bordellbetrieben auf die Festlegung von Arbeitszeit und Arbeitsort ein, um auch hier die sexuelle Selbstbestimmung der Prostituierten zu gewährleisten.

Die mit dem Prostitutionsgesetz verbundene Erwartung, sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse zu schaffen, wurde aber nicht erfüllt. Auch blieben Betriebsprüfungen zur Feststellung von Scheinselbständigkeitsverhältnissen die Ausnahme. Nur wenige Prostituierte besitzen einen Arbeitsvertrag, viele sind nicht sozialversichert oder nur minimal abgesichert. Sie haben oft keine Rentenversicherung oder anderweitige Altersvorsorge. Der „Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz – ProstG)“ von 2007 enthält Hinweise auf eine ca. 10 %-ige Steigerung der Krankenversicherungsquote infolge des Prostitutionsgesetzes

(http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/041/1604146.pdf, S. 12 f.).

Neue Entwicklungen, wie die sogenannten Flat-Rate-Bordelle, der Preisverfall sexueller Dienstleistungen oder die immer größere Bedeutung des Internets bei Werbung und Vermittlung werden durch das Prostitutionsgesetz in keiner Weise reguliert. Bereits jetzt kann Werbung mit sexuellen Inhalten, die „grob anstößig wirkt“, als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Der Umgang mit dieser Werbung ist allerdings in den Ländern und Kommunen sehr unterschiedlich.

Eine weitergehende berufs- oder gewerberechtliche Regulierung dieser nunmehr legalen Erwerbstätigkeit unterblieb bis heute, weil die regierenden Koalitionen der letzten Jahre hier keinen Bedarf sahen.

DIE SITUATION VON PROSTITUIERTEN VERBESSERN Mit einem Prostitutionsstättengesetz Prostitution regulieren

Wir Grünen halten einen breiteren Ansatz zur Regulierung der Prostitution und die Umsetzung und Überprüfung dieser Regelungen für notwendig. Dabei ist unser Ziel, die Rechte der Prostituierten zu stärken. In einem eigenen Prostitutionsstättengesetz sehen wir die Regulierung am besten umsetzbar. Durch die Regulierung der Prostitutionsstätten als Gewerbebetriebe erreichen wir bessere Kontrollmöglichkeiten. Die Gewerbeämter hätten jederzeit Zutritt zu den Prostitutionsstätten.

Bisher können Prostitutionsstätten ohne Erlaubnis betrieben werden. Daher wollen wir eine Genehmigungspflicht (bzw. Erlaubnispflicht) für Prostitutionsstätten einführen. Diese soll Schutzregelungen für die Prostituierten und die Verpflichtung zu einem Geschäftsplan und Dokumentationspflichten, mit denen ausbeuterische Geschäftsmodelle erkannt und unterbunden werden können enthalten und eine Überprüfung der Bordellbetreibenden einschließen. Die Bordellbetreibenden sollen im Rahmen der Erlaubnispflicht für Bordellbetriebe zur Einhaltung von sozialen und hygienischen Standards verpflichtet werden. Dazu zählt auch die Pflicht für Bordellbetreibende, Kondome in ihren Betrieben auszulegen und entsprechende Hinweisschilder deutlich anzubringen, um die Verhandlungsposition von Prostituierten für geschützten Geschlechtsverkehr zu stärken. Zu sicheren und hygienisch verbesserten Arbeitsbedingungen bei einer Tätigkeit, bei der gesundheitlicher Schutz eine wichtige Rolle spielt, gehört die Nutzung von Kondomen. Sie schützen sowohl die Prostituierten als auch die Freier nachweislich vor HIV/Aids und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten. Wenn Prostitutionsstätten nicht in der Lage sind, diesen gesundheitlichen Mindeststandard (Hinweisschilder und Auslegung) zu erfüllen, sollen sie ordnungsrechtlich belangt werden können. Eine Kondompflicht, die Prostituierte kriminalisiert, lehnen wir ab. Menschenunwürdige Geschäftsmodelle oder Dienstleistungen sind sittenwidrig und dürfen

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nicht angeboten werden. Hierbei muss der Schutzgedanke für die Rechte der Prostituierten ausschlaggebend sein.

Weitere Rechtsbereiche

Die Ausgestaltung von bau- und gewerberechtlichen Auflagen geben Kommunen eine Handhabe Prostitutionsstätten um ggf. unerwünschte Großbordelle zu verhindern. Sie muss aber so gestaltet werden, dass sie nicht gegen selbständige Prostituierte in der Wohnungsprostitution oder kleine Einrichtungen geht. Weiterer Regelungsbedarf besteht im Steuerrecht. Bisherige steuerrechtliche Regelungen sind bundesweit uneinheitlich. So erheben einige Städte Pauschalbeträge, die zwischen 6€ pro Tag in Köln und 30€ pro Tag in Berlin variieren. Andere Städte vertrauen auf die Abgabe der steuerpflichtigen Einnahmen. Um eine einheitliche und faire Steuerabgabe zu ermöglichen, plädieren wir für eine Überarbeitung des Einkommenssteuergesetzes und eine Ergänzung der Prostituierten in die Gruppe der sonstigen Selbständigen. Die Prostitution soll damit als freiberufliche Tätigkeit in § 18 EStG anerkannt werden.

Auch das sogenannte Vermieterprivileg (nach § 180a Abs. 2 Nummer 2 StGB) wollen wir abschaffen. VermieterInnen, die Prostituierte ausbeuten, sollen nicht durch eine geringere Strafandrohung rechtlich besser gestellt werden als Zuhälter. Wir wollen überprüfen, inwiefern wir selbständige Prostituierte durch klare Regelungen für den Abschluss von Mietverträgen mit Bordellbetrieben besser vor Ausbeutung schützen können.

Der Zugang für selbständige Prostituierte zur Kranken- und Rentenversicherung muss verbessert werden. Ein Instrument dafür ist die Bürgerversicherung. Gerade bei geringen Einkommen und hohen Kosten in der Kranken- und Rentenversicherung fallen Prostituierte als Soloselbständige nicht selten aus den sozialen Sicherungssystemen und sind in der Folge existentiell stärker gefährdet.

Datenlage verbessern

Bei einer Reform des Prostitutionsgesetzes ist den vielfältigen Veränderungen der sozialen Situation von Prostituierten Rechnung zu tragen: Es gibt Frauen, Männer und Transsexuelle, die in diesem Bereich arbeiten. Die aktuelle Debatte zeigt deutlich, dass valide Daten und Informationen über Prostitution fehlen. Es muss verstärkt in Forschungsprojekte zur Prostitution investiert werden: Zuverlässige Daten zur Prostitution, mehr quantitative und qualitative Studien über die Prostitution und die dort Tätigen sind erforderlich.

„Runde Tische Prostitution“ verbessern die Situation vor Ort

Bei der Diskussion über Prostitution ist es wichtig, dass man nicht nur über, sondern auch mit den Prostituierten spricht: Wir empfehlen die zügige Schaffung „Runder Tische“ zur Prostitution in den Bundesländern und Kommunen, um mit allen Beteiligten Konzepte für die Prostitution und die Situation vor Ort zu entwickeln. Beispiele vom Runden Tisch aus Nordrhein-Westfalen, Hessen oder Hamburg zeigen, dass der Austausch zwischen Ministerien, kommunalen Spitzenverbänden, WissenschaftlerInnen, Polizei, Beratungsstellen sowie Prostituierten zu sinnvollen und adäquaten Handlungskonzepten führt und Vorurteile abbaut.

Beratungsangebote ausbauen

Deutlich verbesserte Investitionen in niedrigschwellige, mehrsprachige Beratungs- und Hilfsangebote sind erforderlich, denn nur durch ein ausgebautes Beratungsangebot können wir den Schutz der Prostituierten verbessern und Ausbeutungsrisiken eindämmen. Wir brauchen verstärkt aufsuchende Beratung vor Ort, die Informationen über die Rechtslage sowie gesundheitliche oder psychologische Hilfe vermittelt. Ein solches Angebot ist für uns die zentrale Maßnahme, um Prostituierte zu erreichen

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und zu unterstützen. Dies ist wichtig, um den Prostituierten die Wahrnehmung ihrer Rechte zu ermöglichen. Dazu gehört auch, dass Prostituierte besser über bestehende Ansprüche auf finanzielle Unterstützungsleistungen informiert werden und sichergestellt wird, dass ihnen diese Leistungen diskriminierungsfrei gewährt werden. Dazu gehört ebenfalls das Angebot einer Erstberatung. Durch eine Erstberatung möchten wir über die Möglichkeiten, Rechte und Risiken in der Prostitution aufklären und gerade ausländische Frauen aus nicht EU-Staaten über ihre Rechte vor allem im Hinblick auf den Aufenthaltsstatus informieren. Die Beratungsangebote müssen von Seiten der Bundesregierung eng mit den Ländern abgestimmt werden. Ergänzend dazu sollen MitarbeiterInnen von Behörden, wie z.B. Gesundheitsämtern, über die Situation von Prostituierten informiert und für ihre Belange sensibilisiert werden, um sie unterstützen zu können.

KEINE MAßNAHMEN ZU LASTEN DER PROSTITUIERTEN

Eine Meldepflicht für Prostituierte beim Gewerbeamt lehnen wir ab, da viele Prostituierte Sorge um die Wahrung ihrer Anonymität haben. Denn immer noch ist eine Tätigkeit in der Prostitution hoch stigmatisiert. Daher befürchten wir, dass sie bei der Entscheidung zwischen „Outing“ oder „Illegalität“ am Ende doch wieder in die Illegalität gedrängt werden. Eine solche Meldepflicht erzeugt beispielsweise bei Menschen, die nur gelegentlich der Prostitution nachgehen und in der Regel anonym bleiben wollen, erheblichen Druck. Demgegenüber ist der Nutzen nicht klar und auch nicht die Folgen für Prostituierte, die nicht angemeldet sind.

Gesundheitsuntersuchungen müssen dem Zweck dienen, Krankheiten zu vermei-den, frühzeitig zu erkennen, vor allem aber freiwillige Angebote zur Prävention und Gesundheitsförderung zur Verfügung zu stellen, auch in den Prostitutionsstätten. Verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen sind nicht der richtige Weg, um den Kontakt zu deutschen Behörden herzustellen. Die Gefahr, dass Prostituierte, die einer Untersuchungspflicht nicht nachkommen, abtauchen und dann unerreichbar für Unterstützungsangebote werden, ist gleichzeitig hoch. Zwangsuntersuchungen, wie es sie bis zum Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes 2001 für Prostituierte gab, verlagern die Verantwortung für den Schutz vor Krankheiten einseitig auf sie und schwächen ihre Verhandlungsposition. Sie senken möglicherweise auch das Interesse von Freiern am Kondomgebrauch. Eine erhöhte Infektionsrate mit Geschlechtskrankheiten bei Prostituierten ist in Deutschland nicht belegt. Daher bewerten wir Zwangsuntersuchungen als stigmatisierend und unverhältnismäßig. Sie werden aus präventionspolitischen Gründen von ExpertInnen und Fachorganisationen abgelehnt. Sie könnten sich sogar kontraproduktiv auswirken, wenn bei langer Inkubationszeit der falsche Anschein der Gesundheit erweckt würde. Bewährt hat sich Prävention durch Aufklärung. Das ist auch eine Erfahrung im Umgang mit HIV/Aids. Kommunale Anlaufstellen für freiwillige Gesundheitsuntersuchungen werden ebenfalls vermehrt aufgesucht und sollten gestärkt werden. Dabei möchten wir positive Anreize setzen, um freiwillige Gesundheitsuntersuchungen für Prostituierte attraktiver zu machen und dadurch auch einen niedrigschwelligen Zugang zu weiteren Beratungsstellen zu ermöglichen. Für Prostituierte ohne Krankenversicherungsschutz wollen wir prüfen, ob zusätzliche kostenfreie Behandlungsangebote bei sexuell übertragbaren Krankheiten (STDs) angeboten werden können.

Eine Altersgrenze für Prostituierte von 21 Jahren halten wir nicht für zielführend. BürgerInnen sind ab dem Alter von 18 Jahren volljährig und dürfen selbstbestimmt und geschäftsfähig über ihre Lebensweise und Arbeitsverhältnisse entscheiden. Der Vorwand, damit gegen Menschenhandel vorgehen zu wollen, ist unseriös und verfassungsrechtlich bedenklich. In § 232 Abs. 1 StGB zum Menschenhandel ist bereits geregelt, dass, wer eine Person unter 21 Jahren zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution oder zu dort bezeichneten sexuellen Handlungen bringt, wegen Menschenhandels bestraft wird. Mit einer Altersgrenze von 21 Jahren würde eine ganze Gruppe jüngerer Prostituierter in die Illegalität gedrängt. Das wäre nicht zielführend. Sie wären dann von Behörden und Beratungsstellen kaum erreichbar und müssten unter höheren Risiken arbeiten. Stattdessen wollen wir insbesondere für junge Prostituierte ein flächendeckendes, niedrigschwelliges

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Angebot zur Beratung und Information aufbauen und diese durch eine langfristige Finanzierung in Abstimmung mit Ländern und Kommunen sichern.

Sperrbezirke verdrängen Prostitution in unsichere und abgelegene Gebiete, in denen die Prostituierten erhöhten Risiken ausgesetzt sind. Sie dienen nicht deren Schutz, sondern machen sie schutzlos. Beispiele für die negativen Folgen für Prostituierte nach einer Sperrbezirksverordnung finden wir in einigen Großstädten. Um die Situation vor Ort zu entschärfen, werden andere Maßnahmen und mehr Beratung und Unterstützung benötigt. Spezielle und gesicherte Bereiche zur Ausübung der Prostitution können sinnvolle Alternativen sein. Dadurch lassen sich kommunale Konflikte im Sinne eines besseren Schutzes für Prostituierte und der Belange der BürgerInnen lösen.

ZUSAMMENGEFASST

Wir wollen einen umfangreichen Schutz für Prostituierte unter Wahrung ihrer Selbstbestimmungsrechte erreichen. Folgende Maßnahmen möchten wir umsetzen:

Ein eigenes Prostitutionsstättengesetz zur Regulierung von Prostitutionsstätten als Gewerbebetrieb. So ermöglichen wir umfassendere Kontrollmöglichkeiten für die Behörden, die auch dem Schutz der Prostituierten dienen müssen.

Eine Erlaubnispflicht im Prostitutionsstättengesetz mit Mindestanforderungen an soziale und hygienische Standards.

Eine Abschaffung des sogenannten Vermieterprivilegs nach § 180a Abs. 2 Nummer 2 StGB.
Die Umsetzung der EU-Opferschutzrichtlinie, der Europaratskonvention sowie der
EU-Richtlinie gegen

Menschenhandel mit Verbesserungen beim Aufenthaltsrecht und Erwerbsmöglichkeiten.

 

Zusätzlich: Das Positionspapier von Terre des femme:

http://www.frauenrechte.de/online/images/downloads/prostitution/TDF_Positionspapier_Prostitution_2014.pdf